Sonntag, 16. November 2014

kleines Dorf, große Fiestas


Mein letzter Blog-Eintrag ist zwar noch nicht allzu lange her, doch in den wenigen Wochen ist schon wieder einiges passiert, über das ich gerne berichten möchte.

Am 30. Oktober wurde der 433 „Aniversario de Sopachuy“ gefeiert. Am Abend zuvor fand ein Desfile, also ein Art Umzug mit Fackeln und Laternen statt. Dafür hat sich das komplette Dorf versammelt und ist dann gemeinsam durch die Straßen Sopachuys gelaufen, natürlich jeweils in die einzelnen „Einrichtungen“ unterteilt. Die Alcaldía (das Rathaus) hat die ganze Gruppe angeführt, gefolgt sind das komplette Krankenhauspersonal inklusive mir, die ganzen Schulen und zu Schluss der Kindergarten. Das Ziel war die Plaza, bei der sich das Desfile aufgelöst und die Fiesta angefangen hat.
Am nächsten Morgen fand das Gleiche bloß im black and white Dresscode statt. Zuvor aber durfte man sich noch ca. 2h Reden von allen wichtigen Leuten aus Sopachuy und des Gobierno de Chuquisaca anhören. Danach folgten wieder mehrere Runden durch das Dorf mit anschließendem Fotoshooting. Beendet wurde dieser Tag durch eine Parade des bolivianischen Militärs.
 
Das Desfile am Mittwochabend

Marschieren vor dem Gobierno de Chuquisaca und dem Bürgermeister

Mit ein paar Arbeitskollegen 


Das Wochenende über den 31.10 - 02.11.14 war Todos Santos. Todos Santos ist auf keinen Fall mit Allerheiligen in Deutschland zu vergleichen, sondern eher mit dem „Día de los Muertos“ aus México. Denn dieser Tag ist kein Tag der Trauer, sondern eher ein Tag der Freude und vor allem des Feierns. Die Menschen feiern, dass die Toten unter ihnen sind und ihre Geister mit uns auf der Erde weiterleben. Deshalb wurde am Freitag großzügig ein Tisch mit allerlei Essen, Gebäck und Getränken angerichtet. Jedoch war dieser nicht für uns bestimmt, sondern für die Geister der Verstorbenen Angehörigen.
Allerlei Köstlichkeiten für die Verstorbenen

Am Samstag wurde gegen Abend eine Messe auf dem Friedhof gehalten, bei der mindestens 3 Stunden lediglich Namen von Verstorbenen vorgelesen wurden. Zuvor wurden alle Gräber schön hergerichtet und mit Kerzen und allerlei persönlichen Dingen geschmückt. Denn während der Messe konnte man zu den Gräbern gehen, um für die Verstorbenen zu beten- jeweils 3 Rosenkränze und 1 Vater-Unser. Als Dankeschön, dass man für die Seele des Verstorbenen gebetet hat, haben die Angehörigen einem ein kleines Geschenk gegeben, meist typisches Todos Santos Gebäck. Besonders hat mich die Geschichte eines kleinen Mädchens berührt. Sie kam auf dem Friedhof auf mich zu und meinte ich solle ihr folgen, um zu ihrem Bruder zu gehen. Dieser ist kurz nach seiner Geburt gestorben, da er ein Herzfehler hatte und sich die Familie eine Operation von 1.000 US Dollar nicht leisten konnte. Also setzte ich mich zusammen mit ihr um das Grab und wusste nicht so ganz wie ich mich verhalten sollte. Aus Deutschland bin ich gewohnt, dass es sobald um den Tod eines Angehörigen geht trübe Stimmung und Trauer herrscht. Hier aber saßen alle fröhlich um das Grab herum und unterhielten sich fleißig. Auch wenn es sehr ungewohnt war, war es auf jeden Fall eine schönere Art und Weise mit dem Tod umzugehen. Der Abend wurde dann wie fast immer mit viel Chicha beendet.

Die geschmückten Gräber


Am Sonntag sind wir dann extra früh aufgestanden, um eine weitere Tradition an Todos Santos kennen zu lernen. Der Tag begann zuerst mit einer Messe - dieses Mal auch in einer Kirche und nicht auf dem Friedhof – bei der erneut alle Namen der Verstorbenen vorgelesen wurden und mit einem Gottesdienst beendet wurde. Danach standen einem alle Türen von Familien offen, bei denen seit vergangenem Todos Santos Angehörige gestorben sind. Zuerst war es komisch einfach in fremde Häuser hinein zu gehen, aber mit der Zeit gewöhnte man sich daran, da die Menschen es eher als Geschenk betrachteten, wenn man zu ihnen kam und für den Verstorbenen gebetet hat. Denn je mehr Menschen für diesen beten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er seinen Frieden im Jenseits findet. So zumindest die Erklärung unseres Gastvaters.
Im Laufe des Tages stellte sich diese Tradition jedoch eher als eine große Sauftour heraus. Denn als Dank folgten wie am Vortag nun nicht mehr nur Gebäck, sondern auch große Mengen an Alkohol. Im ersten Haus freuten wir uns noch über eine Suppe, eine komplette, warme Hauptspeise, ein Glas Chicha und Leche de Tigre. Von 9-16.00 Uhr unterwegs und 7 Häuser später könnt ihr euch ja vorstellen wie wir uns gefühlt haben…ich habe aber definitiv noch nie an einem Tag so viel auf einmal gegessen und getrunken. Der einzige Vorteil war, dass der Kater schon am gleichen Abend einsetzte und somit am nächsten Tag schon wieder vorüber war. Montag war zum Glück Feiertag und das war auch mehr als nötig, um sich von dem Wochenende zu erholen.


Die restliche Woche ging dann wieder schnell rum, da wir Donnerstagabend nach Monteagudo aufgebrochen sind, um einen Geburtstag einer Mitfreiwilligen zu feiern. Doch schon allein die Fahrt dorthin stellte sich als kleine Herausforderung heraus, da wir nicht mehr allzu viel Geld übrig hatten und die Verbindungen nicht ganz eindeutig waren. Über einen Arbeitskollegen habe ich erfahren, dass es angeblich ein Flota von Tomina (das nächst größere Nachbardorf Sopachuys) nach Monteagudo so „um ca. halb 9 glaube ich“ geben soll. Da man nach 3 Monaten Aufenthalt in Bolivien definitiv gelernt hat, dass man sich nicht immer 100%ig auf solche Aussagen verlassen kann sind wir also auf gut Glück nach Tomina gefahren. Dort kam die Flota zwar erst 1 ½ h später, aber sie kam und somit sind wir immerhin auch in Monteagudo angekommen. Da die WG dort zwar eine eigene Wohnung besitzt, aber nicht allzu viel Platz hat, haben wir uns schon im Vorhinein dazu bereit erklärt auf dem Küchenboden zu schlafen. Dementsprechend war die Nacht etwas kurz, aber somit hatten wir immerhin viel Zeit um die Stadt zu erkunden. Und mit Stadt meine ich auch Stadt, da Monteagudo ungefähr wie Sucre bloß in etwas kleiner ist. Deshalb ging der Tag auch schnell rum und abends haben wir dann gemeinsam Maddy´s 19. Geburtstag gefeiert.
Am nächsten Tag waren wir die ganze Zeit auf dem „Día de la Tradición“. Es gab wie immer viel Essen, Trinken und Tanz und es glich ein wenig einem Rummelplatz. Da Monteagudo ziemlich weit weg von uns liegt mussten wir uns allerdings schon am Samstagabend wieder auf den Rückweg machen.
Und jaa…dieser Rückweg war eine ganz eigene Sache für sich…
Wir waren dann also mal wieder in unserem geliebten Tomina – dieses Mal um 12 Uhr nachts- und sind deshalb mit wenig Hoffnung auf eine Mitfahrgelegenheit die Hauptstraße auf und ab gelaufen. Allerdings haben wir außer mehr oder weniger brauchbaren Tipps von Betrunkenen nicht wirklich mehr in Erfahrung bringen können. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen zum nächst größeren Dorf Tarabuquillo zu laufen, da wir nicht schon wieder so ewig Zeit in diesem Dorf verbringen wollten und die nächste Flota nach Hause erst um 13 Uhr kam. Zum Glück hat uns dann aber das herannahende Gewitter von dieser Schnapsidee abgehalten, denn wie wir später herausgefunden haben sind es ca. 20 km von Tomina nach Tarabuquillo. Das wäre definitiv eine lange Nachtwanderung geworden!
Mittlerweile halb 2 Uhr nachts haben wir uns dann aufgemacht ein Alojamiento zu suchen. Etwas vergebens, da wir nur noch 30 Bolivianos für drei Personen hatten und der Besitzer unsere Idee, dass wir nur im Foyer bleiben und kein Zimmer wollen, auch nicht die Beste fand. Also irrten wir weiter herum und wussten nicht genau was wir machen sollten. Zumal ein Haufen betrunkener Männer an der Plaza eine Fiesta feierten und uns drei Mädels das nicht ganz so geheuer war. Als sie anfingen uns nicht nur hinterher zu pfeifen, sondern auch hinterher zu laufen waren wir ganz schnell einig, irgendeinen Unterschlupf zu suchen. Das nächst Beste was wir gefunden haben war ein noch nicht fertig gebautes und leerstehendes Haus – zumindest glaubten wir das! Also warteten wir ab bis die Männer weg waren und legten uns dann ziemlich erschöpft auf den Boden. Und nein es hat nicht nur gereicht, dass es übertrieben kalt war, wir wurden auch noch von Moskitos zerstochen. Trotzdem glaubten wir uns nun ein bisschen sicherer und konnten sogar die Augen etwas zumachen.
Allerdings nicht lange, da kurze Zeit später ein Mann, Oberkörperfrei und in Flip-Flops in dem „Zimmer“ stand und uns mit seiner Taschenlampe anleuchtete. Wie kleine Kinder verdeckten wir unsere Gesichter gemäß dem Motto „wenn wir ihn nicht sehen, kann er uns auch nicht sehen“ :D Als er dann tatsächlich ohne etwas zu sagen wieder verschwand packten wir  alles zusammen und sind in Richtung Tarabuquillo losgelaufen.
Mittlerweile war es immerhin gegen 5 Uhr morgens und nicht mehr ganz so dunkel wie anfangs. Kurze Zeit später konnten wir sogar ein Auto anhalten (auf dem Rücksitz lag ein Gewehr), das uns immerhin etwas in die richtige Richtung mitnehmen konnte. Von diesem Punkt an hätten wir noch 15km nach Tarabuquillo zurücklegen müssen. Total fertig von den letzten, nicht ganz so komfortablen Nächten trotteten wir also den Weg entlang. Nachdem wir einige Autos angehalten haben, die gefühlt überallhin bloß nicht nach Sopachuy gefahren sind machten wir deprimiert Pause an einem Straßenrand. Das war das erste Mal, dass ich Bolivien für seine unendlichen Landschaften ohne jegliche Zivilisation verachtet habe. Zum Glück nicht allzu lange, da dann endlich ein Auto kam, das sogar bis nach Sopachuy durchgefahren ist und wir pünktlich zum Frühstück zu Hause waren. Wir waren so erledigt, dass wir den kompletten Tag durchgeschlafen haben und erst am nächsten Morgen wieder aufgestanden sind.
Im Nachhinein war es echt ein sehr lustiges Erlebnis, hätte allerdings auch anders ausgehen können!
 
Der wohl luxuriöseste Schlafplatz

Und das wars dann auch schon wieder von mir. Ich werde mich aber bald wieder melden, da nächste Woche die große Fiesta der Virgen Sopachuys ist und ich voraussichtlich mittanzen werde, das wird ein Spaß bei meinen Tanzkünsten :D