Montag, 27. Oktober 2014

La Vida Cotidiana

Mittlerweile herrscht hier in Sopachuy Alltag. Die Tage unter der Woche verlaufen meist gleich ab, da wir jeden Tag in die Arbeit müssen und zu anderen größeren Aktivitäten die Zeit dann meistens nicht reicht. Es hat sich nur insofern etwas geändert, dass ich nachmittags nur noch montags und mittwochs im Hospital arbeite und die restlichen Tage zusammen mit Miri Englisch Nachhilfe gebe. Das bringt ein bisschen mehr Abwechslung und gibt uns gleichzeitig die Möglichkeit, ein paar Anschlüsse im Dorf zu finden. Die Arbeit im Krankenhaus wird so langsam auch immer spannender. Ich darf mittlerweile vermehrt bei den Ärzten zuschauen und auch ab und zu in der Notaufnahme helfen. Trotzdem gibt es nach wie vor Tage, an denen ich nichts machen kann und neue Rekorde im Wattebällchen formen aufstelle.
Außerdem dürfen Miri und ich jetzt immer montags und freitags für die ganze Familie kochen, da wir etwas früher von der Arbeit heimkommen als die anderen. So kommen zumindest ab und zu – auch wenn das Essen von unserer Gastmutter der Hammer ist -etwas weniger  Kohlenhydrate und etwas mehr Gemüse auf die Teller, da wir dann auch bestimmen dürfen was es zu essen gibt. Dadurch und durch häufiges Joggen versuchen wir dem weiteren Zunehmen entgegen zu steuern. Das ist  hier allerdings gar nicht so einfach, da wir für den Geschmack vieler Bolivianer zu dünn sind und auch zu wenig essen.
D.h. im Allgemeinen, dass wir unter der Woche neben Arbeiten, Kochen und gelegentlichem Ausruhen zu nicht viel kommen, wir dafür aber immer versuchen die Wochenenden möglichst abwechslungsreich zu gestalten. 

Am Sonntag vor 3 Wochen  hatten wir zum Beispiel einen etwas spontanen Besuch von den Verantwortlichen unserer Organisationen. Nicht nur Don Arturo von „Hostelling International“, auch Norbert Wenzel von unserer deutschen Organisation „Volunta“ beehrten uns mit ihrer Anwesenheit. Außerdem hatten wir zuvor schon ausgemacht, dass uns Marie, Mara und Volkan aus Alcalá besuchen kommen, da sie schon länger mal sehen wollten wie wir hier so leben. Und wie es eben so häufig ist, fällt immer alles auf ein und denselben Tag. D.h. am Sonntag waren dann insgesamt 14 Leute da, für die natürlich auch gekocht werden musste. Deshalb standen Miri und ich schon ab 10 Uhr in der Küche und haben aufgrund fehlenden Zutaten eine etwas improvisierte, aber dennoch sehr leckere Lasagne gezaubert bekommen. Zwischendurch haben wir uns dann auch noch dazu entschieden Pizza zu machen, da wir befürchteten nicht alle satt zu bekommen und wir nicht ausreichend Zutaten für genügend Lasagne hatten. Denn es musste natürlich auch jeweils einen vegetarischen Teil und einen mit Fleisch geben. Dies alles schafften wir nur durch die tatkräftige Unterstützung durch Marie, Mara und Volkan und das 3-Gänge Menü stand dann tatsächlich rechtzeitig auf dem Tisch und schmeckte allen zum Glück super. Somit haben wir den kompletten Vormittag gekocht und gegen später noch mehr gegessen.
Nachmittags haben wir uns dann noch zusammen auf dem Weg zum Fluss gemacht und verbrachten dort den restlichen Tag. Auch wenn wir eigentlich nichts Außergewöhnliches gemacht haben, war es einer der schönsten Tage in Sopachuy und ich hatte mich das erste Mal durch und durch wohl gefühlt.
große Versammlung
das hammer Essen - bzw. die Reste davon

Das darauf folgende Wochenende sind wir nach Sucre gefahren, um mal wieder einen Geburtstag zu feiern.  Jedoch war dieses Wochenende ein denkbar schlechtes, um groß feiern zu gehen, da am Sonntag die Präsidentschaftswahl anstand und deshalb alles Clubs und Bars geschlossen waren. In Bolivien herrscht nämlich Wahlpflicht und deshalb waren alle Lokale, die normalerweise Alkohol ausschenken geschlossen. Dadurch soll betrunkenen Bolivianern, die dann womöglich nicht wählen gehen können vorgebeugt werden.
Angetreten sind insgesamt 4 Kandidaten, von denen der bisherige Präsident Evo Morales (MAS) und Samuel (UID – Unidad Demócrata) die beiden Favoriten waren. Evo ist der erste Präsident indigener Abstammung und deshalb vor allem bei der indigenen Bevölkerung sehr beliebt. Diese macht nach wie vor den Großteil aller BolivianerInnen aus und deshalb galt er auch von Anfang an als Favorit. Insgesamt haben wir aber – bis auf seltene Wahlkampfveranstaltungen und Werbungen der Parteien – nicht wirklich viel von den Wahlen mitbekommen und auch erst einige Tage danach erfahren, dass Evo Morales erneut zum Präsident Boliviens gewählt worden ist.
Werbung der MAS auf Häuserwänden

Mittlerweile geht es auch immer mehr auf den Hochsommer und dadurch auch auf die Regenzeit zu. Dabei wird die 30 Grad Grenze fast jeden Tag überschritten und es zieht einen dementsprechend oft an den Río. Dies war zum Beispiel das letzte Wochenende der Fall. Zuvor hatten wir aber noch eine große Putzaktion gestartet. Wir haben die komplette Wäsche gewaschen, unsere Zimmer und das Bad geputzt und dabei gefühlt dem Dreck von Jahren zuvor auf die Schliche gekommen und erfolgreich entfernt. Und zack…3 Tage später später sieht es genauso aus wie davor. Putzen ist ja eine soo motivierende Arbeit.
Trotzdem haben wir es an diesem Wochenende auch tatsächlich einmal geschafft uns mit ein paar Colegio-Schülern zu verabreden und mit ihnen zum Río zu gehen. Dies war anfänglich eine etwas komische Situation, da die Bolivianer zwar im Allgemeinen  bei ersten Begegnungen unglaublich nett und interessiert sind, geht es aber um mehr als nur netten Smalltalk, sind sie häufig verschlossen und schwer zu knacken. Also wie immer: Geduld haben, auf die Leute zugehen und dem Ganzen Zeit geben.

Und nun noch eine ganz aktuelle Information: seit Freitag ist nämlich Marie aus Alcalá bei uns und wird hier in Sopachuy ihren restlichen Freiwilligendienst absolvieren. Ihr hatte es in Alcalá nicht so sehr gefallen und deshalb hat sie sich dazu entschieden, das Dorf und das Projekt zu wechseln. Nun sind wir 4 Mädels..mal schauen ob das gut geht, aber wir sind alle ganz zuversichtlich und werden sicher viel Spaß haben.

Das war´s dann auch schon wieder von mir! Aber ich werde mich sicher ganz bald wieder melden, da hier in nächster Zeit einiges passieren wird und viel Programm ansteht. Diese Woche ist zum Beispiel todos Santos, der Aniversario von Sopachuy und dann steht im November noch die große Fiesta der Virgen de Remedios an. Bis dahin und liebe Grüße aus Bolivien

Samstag, 4. Oktober 2014

Un mes en Sopachuy

Ich kann es kaum glauben, aber ich bin jetzt schon 2 Monate in Bolivien und davon etwas mehr als 4 Wochen in Sopachuy. Wenn man zurück schaut ging die Zeit einerseits sehr schnell vorbei, denn wir haben sehr viel unternommen und dementsprechend viele neue interessante Menschen und Dinge kennengelernt. Aber andererseits gab es mittlerweile auch schon die ersten Tiefschläge, in denen es ziemlich schleppend voran ging. Aber mehr dazu jetzt:

Vor 3 Wochen waren wir zur „Fiesta de la Virgen de Guadalupe“ das Wochenende über in Sucre. Die Jungfrau Guadalupe ist die Schutzpatronin Sucres und zu ihrer Ehren wurde von Freitag bis Sonntag eine Parade veranstaltet. Unglaublich viele Tanzgruppen tanzten mehrere Stunden durch die ganze Stadt. Von Caporales über Morenada zu Tinku waren alle traditionellen Tänze dabei und sah die schönsten und auch verrücktesten Kostüme. Es war total packend, denn nicht nur die Parade war schön anzuschauen, auch die ganzen Geschäfte und das Leben der Menschen wurde an diesem Wochenende auf die Straßen Sucres verlagert. Somit herrschte in der kompletten Stadt eine tolle Stimmung und es war ununterbrochen etwas los. Neben dem Feiern war es auch schön die anderen  Freiwilligen endlich mal wieder zu sehen und deren Geschichten über ihre Erfahrungen in den Dörfern zu  hören. Zum Glück geht es allen ganz gut und sie sind soweit zufrieden. Dementsprechend ging das Wochenende leider viel zu schnell rum und es war schon wieder Montag und Zeit zu arbeiten. 
Caporales
Tinku 


Morenada

Von meiner Arbeit gibt es eigentlich nicht allzu viel Neues zu berichten. Ich arbeite nach wie vor in der Patientenaufnahme und sobald es keine Patienten mehr gibt, gibt es schlichtweg nichts zu tun. D.h. ich verbringe Großteil meiner Zeit mit Warten. Deshalb kommt etwas Abwechslung wie z.B. eine Fahrt aufs Campo sehr gelegen. Vom 8. bis zum 21. in jedem Monat fährt die Ambulancia täglich zu einer Streusiedlung Sopachuys, um die dort lebenden Menschen medizinisch zu versorgen. Und an einem von diesen Tagen sind Miri und ich mitgefahren. Den Tag vorherhieß es, dass wir um 8 Uhr morgens los fahren werden. Deshalb standen wir eine halbe Stunde früher als üblich auf und waren mit deutscher Pünktlichkeit noch im Blut um 7.50 Uhr im Krankenhaus…leider standen wir dort alleine. Nachdem dann die ersten Ärzte kamen und wir erfahren haben, dass es wohl erst etwas später losgehen wird stand mal wieder Warten auf dem Programm. Zwischen durch hieß es dann auch, dass wir gar nicht mehr fahren werden und nach viel hin und her saßen wir dann schließlich  um 10 Uhr in der Ambulancia. Natürlich erst, nachdem noch ein Halt an einer Tienda eingelegt wurde, um ein paar Salteñas und Cola zu kaufen. Nach einer 20minütigen Fahrt durch das Gelände Boliviens kamen wir auch schon in San Antonio an. Dort leben nur zwei Familien, dementsprechend gab es auch kaum Patienten. Deshalb und auch, weil auf den Außendörfern ausschließlich Quechua gesprochen wird, konnten wir nur wenig machen und es ging nach einem gemeinsamen Mittagessen wieder nach Hause. Achja eine Fahrt mit 80km/h über Kopfsteinpflaster ist übrigens sehr amüsant.

Ein Klassenzimmer als Behandlungsraum

Das letzte Wochenende war dann genauso ereignisreich wie das davor. Am Samstag sind wir per Pferd zu den Wasserfällen außerhalb Sopachuys geritten. Das ist eine Gesamtstrecke von 24km und wir haben für den Hin- und Rückweg jeweils 3 ½ h gebraucht. Schon allein der Weg dorthin ist atemberaubend. Er schlängelt sich durch eine gewaltige Kette von Bergen immer weiter flussaufwärts. Die letzten 15min mussten wir dann zu Fuß zurück legen und etwas klettern. Je weiter man geklettert ist, desto größer und gewaltiger wurden die Wasserfälle, bis man schlussendlich zum letzten und größten Wasserfall mit einer Höhe von 80m gelangte. Auch die Umgebung verwandelte sich immer mehr in einen tropischen Regenwald und man befand sich in unberührter Natur, weit weg von jeglicher Zivilisation. Aufgrund des schlechten Wetters konnten wir leider nicht schwimmen und mussten nach einer zu kurzen Pause auch schon wieder zurück. Es war ein wunderschöner Tag, aber ich glaub ich hatte noch nie solche Schmerzen im Po, da die Montura der Pferde nicht allzu komfortabel waren.
Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde

auch der Fluss war nicht sicher vor uns

Der Weg durch die Gebirgsketten

der kleinste Wasserfall
der letzte und größte Wasserfall

Wegen des „Día del Médico“ sind Miri und ich am Sonntag mit dem kompletten Krankenhaupersonal zu einem Sportwettkampf nach Tomina, einer Nachbarstadt Sopachuys gefahren. Die Abreise stellte sich erneut als eine kleine Herausforderung heraus. Es musste vorher noch eingekauft werden und Miri und ich mussten nochmal nach Hause, da uns niemand gesagt hat, dass wir Teller und Besteck benötigen. Mit einer 1 ½ stündigen Verspätung ging es dann auch ging es dann auch los, bis wir nach 5 Minuten wieder anhielten. Dann verbrachten wir weitere 40min  wartend an einem Straßenrand, das wir bis heute noch nicht verstehen weshalb. Eine Stunde später sind wir dann in Tomina angekommen, wurden vom dortigen Krankenhauspersonal begrüßt und zum Frühstück eingeladen. Danach ging es in eine Messe, die sich selbstgestaltet und mit Kirchenbesuchern in Jogginganzügen etwas anders, dennoch interessant gestaltete. Zum Mittagessen sind wir zum Grillen an den Fluss gefahren. Das bolivianische Grillen charakterisiert sich vor allem durch Fleisch, einer riiiiiesen Menge an Fleisch! Dabei war es egal, ob Frau oder Mann, für jeden wurde ein halbes Kilo eingeplant. Dementsprechend gesättigt viel der Sport danach anfangs etwas schwer, machte aber unglaublich viel Spaß. Wir spielten bis zum frühen Abend Fußball, Basketball und Volleyball gegen die Mannschaften des Krankenhauses aus Tomina.  Danach stärkte man sich erneut mit einer ordentlichen Portion an Essen, um diese durch langes Tanzen danach wieder ab zu trainieren. Zwischendurch erfuhren wir, dass unser Bus ohne uns nach Hause gefahren ist. Also warteten wir einfach mal ab, da uns eh niemand genau sagen konnte wann und wie wir nach Hause kommen würden. Zwischendurch war geplant in die Flota um 23Uhr aus Sucre einzusteigen. Schade, dass eh nur Miri und ich danach schauten, die anderen munter weiter getanzt haben und die Flota sowieso nicht vorbei gekommen ist. Nach 17 Stunden auf den Beinen und etwas müde machten Miri und ich uns weiter daran herauszufinden wie wir nach Hause kommen. Etwas vergebens, da uns alle sagten, dass es keinen Weg mehr gäbe nach Hause zu kommen. Über die Unbekümmertheit alle waren wir etwas überrascht, warteten aber mal wieder ab, da uns eh nichts anderes übrig blieb und stellten uns schon auf eine lange Nacht in Tomina ein. Plötzlich sprang eine Person auf und alle rannten zur Hauptstraße. Ganz verstanden haben wir auch das wieder nicht, sind dann aber wenigstens um halb 2 mit einem Privatauto nach Hause gekommen. Trotz einigen Missverständnissen war es ein super Tag, da wir nicht nur viel Sport machen konnten, sondern auch das Krankenhauspersonal besser kennenlernen konnten und fast alle einfach total nett sind. 

Ja, unter dem Fleisch befinden sich sogar noch Beilagen

Das Tanzen danach

Die letzte Woche über war wegen des „Día del Estudiante“ und eines Sportwettkampfes ziemlich viel los in Sopachuy. Fast jeden Abend wurde tanzen geübt, um dies am Donnerstag vor allen Sopachuyesen vor zu führen. Nebenher traten die verschiedenen Schulen in Fußball und Basketball gegeneinander an. Dadurch ist viel Arbeit ausgefallen, die Arbeitstage gingen dementsprechend schnell rum und die Woche wurde durch ein super Wochenende in Sucre beendet!
Die Gruppe unserer Gastmutter

Alles in allem kann ich sagen, dass ´man hier auf jeden Fall lernt flexibel und spontan zu sein. Außerdem sollte einem Warten, ohne meistens den Grund zu kennen auch nicht allzu viel ausmachen. Es ist komisch, aber Abmachungen ändern sich fast immer und es bekommen irgendwie immer alle mit, außer wir Voluntarias. Von daher warten eigentlich immer Überraschungen auf einen. Ich bin mal gespannt, ob sich das noch ändern wird. Ob es z.B. an unserem noch nicht perfekten Spanisch liegt und wir deshalb nicht alles verstehen, oder ob das hier einfach so üblich ist. Dadurch wird es einem auf jeden Fall ein bisschen schwer gemacht sich ein zu gewöhnen, da man sich öfters ein bisschen dumm und fehl am Platz fühlt. Anfangs war es schwer sich daran zu gewöhnen, doch ich merke, dass man sich mit der Zeit immer weniger darüber aufregt und es nicht mehr so an sich ran lässt. Das ist wohl einfach auch ein Teil der Mentalität hier im Land, das alles etwas gelassener vor sich geht.
Das ist eben genau etwas, mit dem ich in letzter Zeit öfters konfrontiert wurde und noch lernen muss,  damit klar zu kommen. Ich merke aber auch, dass man sich schneller an Dinge gewöhnt, als man denkt. Eine warme Dusche, Waschmaschine und Internet sind eben doch nicht so lebensnotwendig wie ursprünglich mal angenommen. Auch wenn es manchmal ein bisschen schwierig ist, versuche ich positiv zu denken und an den Herausforderungen zu wachsen. Genau deshalb freue ich mich trotz allem auf das weitere Jahr und welche Entdeckungen bzw. Erfahrungen ich noch machen darf!