Samstag, 6. September 2014

Sopachuy - die Insel des Teufels (Quechua)

Ja es ist soweit, ich gebe endlich mal wieder ein Lebenszeichen von mir!
Nach einer fünfstündigen Autofahrt von Sucre nach Sopachuy sind wir überraschend pünktlich und gut in unserem Dorf angekommen. Doch das erste Hindernis wartete nicht lange auf sich. Von unserer Gastfamilie konnte uns niemand abholen und so bekamen wir von Arturo (Verantwortlicher von HIB) lediglich die Namen unserer Gasteltern in die Hände gedrückt.
Sopachuy ist ein kleines Dorf mit nur 2000 Einwohnern. Doch hat man absolut keine Ahnung in welche Richtung man laufen muss und aus unerklärlichen Gründen keiner der Einwohner die Namen unserer Gasteltern Mariela und Hugo kannte, kann so ein kleines Dorf doch sehr schnell, sehr groß werden. Also irrten wir eine Weile an der Plaza herum, waren für einige Minuten die Hauptattraktion des Dorfes und wurden schließlich von Angél, unserer jüngeren Gastschwester gefunden und zum Hostel geführt.
Und hier sind wir nun. Ich teile mir mit Eri ein Zimmer und Miri hat ein Einzelzimmer. Das Hostel an sich ist eigentlich relativ groß. Es bietet Platz für die fünfköpfige Familie, uns 3 Voluntarias, einige Zimmer für Gäste und natürlich für die 4 Katzen, 2 Hunde, den Papagei und die Schildkröte. Das heißt es ist eigentlich immer etwas los!

Der Innenhof des Hostels

Unser Doppelzimmer

Ich kann schon jetzt sagen, dass wir echte Glückspilze sind. Sopachuy hat nicht nur landschaftlich unglaublich viel zu bieten – 2 Flüsse, viele Berge zum Wandern und Felsen zum Klettern – auch die Menschen, besonders unsere Gastfamilie sind total nett, offen und herzlich! Häufig sitzen wir nach dem Essen noch zusammen, spielen etwas oder reden einfach nur. Dementsprechend fühle ich mich hier total wohl und freu mich auf das Jahr!

Die Berge um Sopachuy

El Río

Neben der eigenständigen Dorferkundung wurden wir an unserem ersten ganzen Tag hier in Sopachuy (Freitag, 29. August ´14) auch schon in der Grundschule vorgestellt.
Zuerst begrüßten wir alle Lehrer und den Direktor und wurden dann von ihm höchstpersönlich allen Schülern auf dem Schulhof vorgestellt. Dies glich ein wenig einer Militär Parade, da alle Kinder in Reihe aufgestellt standen und uns im Chor begrüßten. Miri meinte dann aber, dass das völlig normal sei und es eine Art morgendliches Ritual ist.
Montags wird in den Schulen dann immer zusätzlich die Flagge gehisst und die Nationalhymne gesungen.

Von Samstag auf Sonntag haben wir ein bisschen in meinen Geburtstag rein gefeiert. Das ging allerdings nicht allzu lange, da wir am nächsten Morgen um 7.30 Uhr frische Milch trinken sind.
Man nehme ein paar Gläser plus Alkohol mit und gehe zum nächstgelegenen Bauernhof. Die Kuh wird angebunden und von Hand direkt in ein Glas gemolken. Dazu füllt man ein wenig SIngani oder Café al Conac und schwupp di wupp hat man wahnsinnig leckere Milch zum trinken, die morgens um acht zusammen mit Alkohol doch auch ordentlich reinhauen kann.
Den restlichen Tag ging es dann etwas ruhiger zu. Miri und ich waren spazieren und am Mittag kamen einige Freunde der Familie und es gab total leckeres Essen.
Abends saßen wir dann noch zusammen, haben ein Lagerfeuer gemacht und Stockbrot gegessen.
Alle haben sich unglaublich viel Mühe gegeben, mir diesen Tag so schön wie möglich zu gestalten. An dieser Stelle auch noch einmal herzlichen Dank für die ganzen Glückwünsche!
Dementsprechend war es zwar ein anderer, aber trotzdem sehr schöner 19. Geburtstag.

Leckere frische Milch

Der etwas improvisierte, aber super leckere Geburtstagskuchen

Und dann war es soweit. Der erste Tag im Projekt! 6.45 Uhr klingelte der Wecker und wenig später stand ich auch schon im Eingang des Hospitals „Virgen de Remedios“.
Ich wurde zunächst einmal herum geführt, um das Krankenhaus kennen zu lernen. Dabei bekam ich alle Stationen zu Gesicht und wurde auch gleich mit zur Visite genommen (es gibt immerhin ganze 2 stationäre Patienten). Wirklich viel verstanden habe ich nicht, denn spanische Doktorensprache ist muy complicado! Trotzdem war die Visite sehr spannend, da ich die Möglichkeit bekam alle Ärzte auf einmal kennen zu lernen.
Den restlichen Tag habe ich dann den KrankenpflegerInnen in der Patientenaufnahme geholfen. D.h. ich muss die Patienten wiegen, die Körpergröße messen und die Vitalfunktionen überprüfen. Also Puls, Blutdruck, Atemfrequenz und Temperatur messen.
Es war ein sehr spannender Tag und trotz guten Arbeitszeiten (1. Schicht: 8.30-12.00 Uhr; 
2. Schicht: 15.00-18.00 Uhr) extrem anstrengend. Nicht nur die Sprache, auch der medizinische Bereich an sich ist relativ neu für mich und so muss man sehr, sehr viele Eindrücke auf einmal verarbeiten. Hinzu kam, dass wir am gleichen Abend auch noch vom Bürgermeister eingeladen wurden, um uns hier in Sopachuy offiziell willkommen zu heißen. Danach sind wir todmüde einfach nur noch ins Bett gefallen.
Der zweite Tag war dann nicht mehr ganz so spannend. Die Aufnahme der Patienten hat man relativ schnell raus und wenn es kaum Patienten gibt, hat man nicht wirklich viel zu tun. Deshalb bin ich etwas deprimiert nach Hause gelaufen, wurde allerdings gleich wieder überrascht.
An der Türschwelle eines Hauses stand eine Frau, die ich von dem vorigen Tag aus dem Krankenhaus kannte. Wie es hier so üblich ist grüßte ich sie freundlich und sie kam mit den Worten „hola doctora gringita“ auf mich zu, schnappte meinen Arm und führte mich in ihr Haus. Ich schaute ein wenig verdutzt und sie meinte nur, ich solle mich hinsetzen. Deshalb dachte ich, dass ich wahrscheinlich auf irgendetwas eingeladen werde. Aber schade war´s…ihr Mann kam mit einigen Medikamenten, Spritzen und einem Skalpell auf mich zu und wollte, dass ich irgendetwas an seiner Hüfte operiere. In dem Moment dachte ich einfach nur oh mein Gott wie komme ich aus solch einer Situation wieder raus?! Ich erklärte ihnen, dass ich nur eine Voluntaria und keine ausgebildete Ärztin bin, doch diese Antwort gefiel ihnen nicht wirklich. Der Mann packte weiter munter seine Utensilien aus bis ich aufgestanden bin und einfach nur noch die ganze Zeit „no, no puedo hacerlo“ gesagt habe und schlussendlich einfach gegangen bin. Darauf kam dann nur noch die Antwort, ich solle es doch morgen bitte noch einmal versuchen.
Das war eine krasse Erfahrung und es ist schon heftig, dass man hier mit weißer Haut und einem Arztkittel sofort als Arzt angesehen ist und die Menschen denken, man könnte so etwas.
Die restlichen Arbeitstage der Woche liefen dann alle relativ gleich ab: wenig Patienten, kaum etwas zu tun. Ich bin mal gespannt wie sich das noch alles so entwickeln wird und hoffe, dass ich in Zukunft mehr zu tun habe bzw. auch noch andere Aufgaben erledigen darf.

Hospital "Virgen de Remedios"

Der Innenhof des Krankenhauses

Ansonsten kann man schon fast sagen, dass hier der Alltag eingekehrt ist. Neben dem Arbeiten und dem gemeinsamen Essen stehen häufig ein paar Erledigungen an. Die Wäsche – die sich irgendwie immer sehr schnell ansammelt und sich leider nicht von selbst wäscht – muss mit kaltem Wasser und per Hand gewaschen werden, Geschirr für 8 Personen muss gespült werden und das Zimmer muss häufig aufgeräumt werden. Sonst spielen wir mit den beiden jüngeren Kindern Angél und Lenin, gehen Wandern bzw. Joggen und schauen abends ab und zu einen Film.

Trotzdem kann ich bisher deutlich sagen: Es ist einfach teuflisch gut hier!