Mein letzter Blog-Eintrag ist zwar noch nicht allzu lange her, doch in
den wenigen Wochen ist schon wieder einiges passiert, über das ich gerne
berichten möchte.
Am 30. Oktober wurde der 433 „Aniversario de Sopachuy“ gefeiert. Am
Abend zuvor fand ein Desfile, also ein Art Umzug mit Fackeln und Laternen
statt. Dafür hat sich das komplette Dorf versammelt und ist dann gemeinsam
durch die Straßen Sopachuys gelaufen, natürlich jeweils in die einzelnen
„Einrichtungen“ unterteilt. Die Alcaldía (das Rathaus) hat die ganze Gruppe
angeführt, gefolgt sind das komplette Krankenhauspersonal inklusive mir, die
ganzen Schulen und zu Schluss der Kindergarten. Das Ziel war die Plaza, bei der
sich das Desfile aufgelöst und die Fiesta angefangen hat.
Am nächsten Morgen fand das Gleiche bloß im black and white Dresscode
statt. Zuvor aber durfte man sich noch ca. 2h Reden von allen wichtigen Leuten
aus Sopachuy und des Gobierno de Chuquisaca anhören. Danach folgten wieder
mehrere Runden durch das Dorf mit anschließendem Fotoshooting. Beendet wurde
dieser Tag durch eine Parade des bolivianischen Militärs.
Marschieren vor dem Gobierno de Chuquisaca und dem Bürgermeister |
Mit ein paar Arbeitskollegen |
Allerlei Köstlichkeiten für die Verstorbenen |
Am Samstag wurde gegen Abend eine Messe auf dem Friedhof gehalten, bei
der mindestens 3 Stunden lediglich Namen von Verstorbenen vorgelesen wurden. Zuvor
wurden alle Gräber schön hergerichtet und mit Kerzen und allerlei persönlichen
Dingen geschmückt. Denn während der Messe konnte man zu den Gräbern gehen, um
für die Verstorbenen zu beten- jeweils 3 Rosenkränze und 1 Vater-Unser. Als
Dankeschön, dass man für die Seele des Verstorbenen gebetet hat, haben die
Angehörigen einem ein kleines Geschenk gegeben, meist typisches Todos Santos
Gebäck. Besonders hat mich die Geschichte eines kleinen Mädchens berührt. Sie
kam auf dem Friedhof auf mich zu und meinte ich solle ihr folgen, um zu ihrem
Bruder zu gehen. Dieser ist kurz nach seiner Geburt gestorben, da er ein Herzfehler
hatte und sich die Familie eine Operation von 1.000 US Dollar nicht leisten
konnte. Also setzte ich mich zusammen mit ihr um das Grab und wusste nicht so
ganz wie ich mich verhalten sollte. Aus Deutschland bin ich gewohnt, dass es
sobald um den Tod eines Angehörigen geht trübe Stimmung und Trauer herrscht. Hier
aber saßen alle fröhlich um das Grab herum und unterhielten sich fleißig. Auch
wenn es sehr ungewohnt war, war es auf jeden Fall eine schönere Art und Weise
mit dem Tod umzugehen. Der Abend wurde dann wie fast immer mit viel Chicha
beendet.
Die geschmückten Gräber |
Am Sonntag sind wir dann extra früh aufgestanden, um eine weitere
Tradition an Todos Santos kennen zu lernen. Der Tag begann zuerst mit einer
Messe - dieses Mal auch in einer Kirche und nicht auf dem Friedhof – bei der
erneut alle Namen der Verstorbenen vorgelesen wurden und mit einem Gottesdienst
beendet wurde. Danach standen einem alle Türen von Familien offen, bei denen
seit vergangenem Todos Santos Angehörige gestorben sind. Zuerst war es komisch
einfach in fremde Häuser hinein zu gehen, aber mit der Zeit gewöhnte man sich
daran, da die Menschen es eher als Geschenk betrachteten, wenn man zu ihnen kam
und für den Verstorbenen gebetet hat. Denn je mehr Menschen für diesen beten,
desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er seinen Frieden im Jenseits
findet. So zumindest die Erklärung unseres Gastvaters.
Im Laufe des Tages stellte sich diese Tradition jedoch eher als eine
große Sauftour heraus. Denn als Dank folgten wie am Vortag nun nicht mehr nur
Gebäck, sondern auch große Mengen an Alkohol. Im ersten Haus freuten wir uns
noch über eine Suppe, eine komplette, warme Hauptspeise, ein Glas Chicha und
Leche de Tigre. Von 9-16.00 Uhr unterwegs und 7 Häuser später könnt ihr euch ja
vorstellen wie wir uns gefühlt haben…ich habe aber definitiv noch nie an einem
Tag so viel auf einmal gegessen und getrunken. Der einzige Vorteil war, dass
der Kater schon am gleichen Abend einsetzte und somit am nächsten Tag schon
wieder vorüber war. Montag war zum Glück Feiertag und das war auch mehr als
nötig, um sich von dem Wochenende zu erholen.
Die restliche Woche ging dann wieder schnell rum, da wir
Donnerstagabend nach Monteagudo aufgebrochen sind, um einen Geburtstag einer
Mitfreiwilligen zu feiern. Doch schon allein die Fahrt dorthin stellte sich als
kleine Herausforderung heraus, da wir nicht mehr allzu viel Geld übrig hatten
und die Verbindungen nicht ganz eindeutig waren. Über einen Arbeitskollegen
habe ich erfahren, dass es angeblich ein Flota von Tomina (das nächst größere
Nachbardorf Sopachuys) nach Monteagudo so „um ca. halb 9 glaube ich“ geben
soll. Da man nach 3 Monaten Aufenthalt in Bolivien definitiv gelernt hat, dass
man sich nicht immer 100%ig auf solche Aussagen verlassen kann sind wir also
auf gut Glück nach Tomina gefahren. Dort kam die Flota zwar erst 1 ½ h später,
aber sie kam und somit sind wir immerhin auch in Monteagudo angekommen. Da die
WG dort zwar eine eigene Wohnung besitzt, aber nicht allzu viel Platz hat,
haben wir uns schon im Vorhinein dazu bereit erklärt auf dem Küchenboden zu
schlafen. Dementsprechend war die Nacht etwas kurz, aber somit hatten wir
immerhin viel Zeit um die Stadt zu erkunden. Und mit Stadt meine ich auch
Stadt, da Monteagudo ungefähr wie Sucre bloß in etwas kleiner ist. Deshalb ging
der Tag auch schnell rum und abends haben wir dann gemeinsam Maddy´s 19.
Geburtstag gefeiert.
Am nächsten Tag waren wir die ganze Zeit auf dem „Día de la Tradición“.
Es gab wie immer viel Essen, Trinken und Tanz und es glich ein wenig einem
Rummelplatz. Da Monteagudo ziemlich weit weg von uns liegt mussten wir uns
allerdings schon am Samstagabend wieder auf den Rückweg machen.
Und jaa…dieser Rückweg war eine ganz eigene Sache für sich…
Wir
waren dann also mal wieder in unserem geliebten Tomina – dieses Mal um 12 Uhr
nachts- und sind deshalb mit wenig Hoffnung auf eine Mitfahrgelegenheit die
Hauptstraße auf und ab gelaufen. Allerdings haben wir außer mehr oder weniger
brauchbaren Tipps von Betrunkenen nicht wirklich mehr in Erfahrung bringen können.
Deshalb haben wir uns dazu entschlossen zum nächst größeren Dorf Tarabuquillo
zu laufen, da wir nicht schon wieder so ewig Zeit in diesem Dorf verbringen
wollten und die nächste Flota nach Hause erst um 13 Uhr kam. Zum Glück hat uns
dann aber das herannahende Gewitter von dieser Schnapsidee abgehalten, denn wie
wir später herausgefunden haben sind es ca. 20 km von Tomina nach Tarabuquillo.
Das wäre definitiv eine lange Nachtwanderung geworden!
Mittlerweile
halb 2 Uhr nachts haben wir uns dann aufgemacht ein Alojamiento zu suchen.
Etwas vergebens, da wir nur noch 30 Bolivianos für drei Personen hatten und der
Besitzer unsere Idee, dass wir nur im Foyer bleiben und kein Zimmer wollen,
auch nicht die Beste fand. Also irrten wir weiter herum und wussten nicht genau
was wir machen sollten. Zumal ein Haufen betrunkener Männer an der Plaza eine
Fiesta feierten und uns drei Mädels das nicht ganz so geheuer war. Als sie
anfingen uns nicht nur hinterher zu pfeifen, sondern auch hinterher zu laufen
waren wir ganz schnell einig, irgendeinen Unterschlupf zu suchen. Das nächst
Beste was wir gefunden haben war ein noch nicht fertig gebautes und
leerstehendes Haus – zumindest glaubten wir das! Also warteten wir ab bis die
Männer weg waren und legten uns dann ziemlich erschöpft auf den Boden. Und nein
es hat nicht nur gereicht, dass es übertrieben kalt war, wir wurden auch noch
von Moskitos zerstochen. Trotzdem glaubten wir uns nun ein bisschen sicherer
und konnten sogar die Augen etwas zumachen.
Allerdings
nicht lange, da kurze Zeit später ein Mann, Oberkörperfrei und in Flip-Flops in
dem „Zimmer“ stand und uns mit seiner Taschenlampe anleuchtete. Wie kleine
Kinder verdeckten wir unsere Gesichter gemäß dem Motto „wenn wir ihn nicht
sehen, kann er uns auch nicht sehen“ :D Als er dann tatsächlich ohne etwas zu
sagen wieder verschwand packten wir
alles zusammen und sind in Richtung Tarabuquillo losgelaufen.
Mittlerweile
war es immerhin gegen 5 Uhr morgens und nicht mehr ganz so dunkel wie anfangs.
Kurze Zeit später konnten wir sogar ein Auto anhalten (auf dem Rücksitz lag ein
Gewehr), das uns immerhin etwas in die richtige Richtung mitnehmen konnte. Von
diesem Punkt an hätten wir noch 15km nach Tarabuquillo zurücklegen müssen.
Total fertig von den letzten, nicht ganz so komfortablen Nächten trotteten wir
also den Weg entlang. Nachdem wir einige Autos angehalten haben, die gefühlt
überallhin bloß nicht nach Sopachuy gefahren sind machten wir deprimiert Pause
an einem Straßenrand. Das war das erste Mal, dass ich Bolivien für seine
unendlichen Landschaften ohne jegliche Zivilisation verachtet habe. Zum Glück
nicht allzu lange, da dann endlich ein Auto kam, das sogar bis nach Sopachuy
durchgefahren ist und wir pünktlich zum Frühstück zu Hause waren. Wir waren so
erledigt, dass wir den kompletten Tag durchgeschlafen haben und erst am
nächsten Morgen wieder aufgestanden sind.
Im
Nachhinein war es echt ein sehr lustiges Erlebnis, hätte allerdings auch anders
ausgehen können!
Und
das wars dann auch schon wieder von mir. Ich werde mich aber bald wieder
melden, da nächste Woche die große Fiesta der Virgen Sopachuys ist und ich
voraussichtlich mittanzen werde, das wird ein Spaß bei meinen Tanzkünsten :D